+

15.04.2021 Aus der Praxis, HiRegion

Reallabor „Landschaft“ – Wandel, der zum Nachdenken anregt

Landschaften verändern - oft so schleichend, dass es unbemerkt bleibt. Wie kann eine Geschichte des Landschaftswandels geschrieben werden?

Quelle: Hi_Region
Quelle: Hi_Region | Quelle: Hi_Region

Die Herausforderung

Früher war alles anders, sogar die Zukunft!“ – Ein scherzhafter Spruch, der aber an Gültigkeit gewinnt, wenn man die Arbeit des HiRegion-Reallabors „Landschaft“ näher betrachtet: Das Team erforscht den Landschaftswandel im Untersuchungsraum zwischen Lieps und Havelquelle. Wälder fielen Siedlungen zum Opfer, Dörfer veränderten ihre Form, Grundeigentumsverhältnisse veränderten sich mehrfach grundlegend. Doch wie kann die Geschichte eines solchen Landschaftswandels geschrieben werden?

Die Lösung

Die Wissenschaftlerinnen fahren in die Dörfer und kommen mit „Urgesteinen“ und Zugezogenen ins Gespräch. „Die Landschaft, in der wir leben, prägt nicht nur das Erscheinungsbild und die Nutzungsmöglichkeiten der Region, sondern auch die Identität der Bewohnerinnen und Bewohner“, erklärt Judith Böttcher, Mitarbeiterin des Projekts. Ziel ist es, die Veränderungen zwischen Lieps und Havelquelle seit dem Dreißigjährigen Krieg sichtbar zu machen. Das passiert beispielsweise durch klassische Forschungsarbeit, in der die Wissenschaftlerinnen schriftliche Quellen oder Karten ausgewertet haben. Schwerpunktmäßig aber sprachen die Projektmitarbeiterinnen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die über ihre Wahrnehmungen des Landschaftswandels aus eigener Erfahrung heraus berichten konnten. „Die Erzählungen ermöglichen einen persönlichen Zugang zur Region mit ihrer Geschichte und Landschaft. Es geht dabei nicht um eine Wissensabfrage, sondern um die individuelle Wahrnehmung“, ergänzt Dr. Elisabeth Reim, die gemeinsam mit Böttcher am Projekt arbeitet.

Die Umsetzung

Insgesamt fünfundzwanzig alteingesessene sowie zugezogene Bewohnerinnen und Bewohner der Projektregion haben die beiden Wissenschaftlerinnen befragt. „Die große Bereitschaft, die Erinnerungen mit uns zu teilen, sehen wir als ein Zeichen dafür, dass das Thema Landschaftswandel für die Aufarbeitung der Geschichte relevant ist“, stellt Böttcher fest und setzt fort: „Die Erzählungen hauchen der Region Leben ein.“ Zeitzeuginnen und Zeitzeugen haben die Veränderungen der Landschaft auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen – vom Wandel der Land- und Forstwirtschaft über die Infrastruktur bis hin zu sozialen Aspekten. Gerade diese machen für sie einen wichtigen Teil des Landschaftswandels aus. „Früher waren sehr viele in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften beschäftigt. Dadurch war das Betriebs- und Dorfleben untrennbar miteinander verbunden. Die Menschen haben zusammengearbeitet und zusammen gefeiert. Aber nicht nur die Landwirtschaft hat sich stark verändert. Auch Einrichtungen wie Schule, Gaststätten oder der örtliche Konsum fielen nach und nach weg“, führt Reim aus. „Das waren die Treffpunkte, in denen man sich austauschte. Heute haben sich die Dörfer häufig zu Schlafdörfern entwickelt, in denen alle unabhängig voneinander ihrem Alltag nachgehen.“

Das Fazit

Die Erzählungen der Zeitzeugen hat das Projektteam in einem Buch zusammengefasst. Bilder der Befragten sowie stimmungsvolle Aufnahmen von Projektmitarbeiter Dr. Jens Hoffmann runden die Erkenntnisse ab und geben einen zusätzlichen Einblick in die Landschaftsgeschichte der Region. Vor allem die große Bereitschaft der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen war ein Erfolg des Projektes.